Prof. Dr. Jens Scholz
Vorstandsvorsitzender, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
- Seit 2021 Vorsitzender des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands e. V. (VUD)
- Seit 2015 Vorstandsmitglied des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands
- Seit 2009 Vorstandsvorsitzender (CEO) des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein
- 2009 Executive MBA, Universität St. Gallen, Schweiz
- Seit 2006 Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina
- 2000-2009 Direktor und C4-Professor, Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
- 1996-2000 C3-Professor für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Drei Fragen an Prof. Dr. Jens Scholz
Wo stehen die deutschen Universitätskliniken bei der Digitalisierung?
Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz wurden 4,3 Mrd. Euro für die Digitalisierung der Krankenhäuser bereitgestellt. Parallel dazu gibt es eine sogenannte Reifegradmessung, die das Konsortium „Digitalradar“ durchführt. Bei deren ersten Analyse konnten wir sehen, dass die Universitätsklinika im Durchschnitt in allen Analysedimensionen über dem Durchschnitt aller Krankenhäuser lagen. Konkret waren das die Dimensionen: Strukturen und Systeme, Resilienz-Management und Performanz, Organisatorische Steuerung und Datenmanagement, Klinische Prozesse, Informationsaustausch, Telehealth sowie Patientenpartizipation. Die Universitätsklinika liegen also deutschlandweit vorne. Im internationalen Vergleich gibt es aber noch Luft nach oben.
Worum geht es in Zukunft?Die Länder haben ohne Zweifel Defizite bei der Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser - manche mehr, andere weniger. Gerade im Bereich IT halte ich daher ein dauerhaftes finanzielles Engagement des Bundes für wichtig. Allerdings müsste das unter anderen Vorzeichen als beim KHZG geschehen. Dort wurde nämlich wieder mit der Gießkanne Geld für alle Krankenhäuser verteilt. Obwohl damals schon klar war, dass wir an einer Strukturbereinigung in der Krankenhauslandschaft nicht vorbeikommen. Derzeit diskutieren wir ja nur noch über das „wie“ der Krankenhausreform, nicht mehr über das „ob“. Da sind Mittel in Häuser geflossen, die in Kürze vom Netz gehen. Das ist volkswirtschaftlicher Unsinn und darf so nicht nochmal passieren. Bei der digitalen Durchdringung müssen diejenigen Häuser voran gehen, die für die Gesundheitsversorgung unverzichtbar sind. Und das sind vor allem die Universitätsklinika - insbesondere auch durch die Leistungen, die sie für andere Krankenhäuser und weitere Leistungserbringer in der Fläche bieten. In der Telemedizin sehen wir das ganz deutlich. Mit dem digitalen Krankenhaus NRW haben zwei Universitätskliniken über Telemedizin bei der Patientenversorgung in peripheren Häusern unterstützt. Das ist wohnortnahe Patientenversorgung unterfüttert mit universitätsmedizinischer Expertise, so dass auch keine übermäßigen Patientenverlegungen notwendig sind. Damit man solche Modelle auch dauerhaft etablieren kann, braucht die Universitätsmedizin aber auch eine Dirigentenfunktion bei der Steuerung von Patienten und stationären Kapazitäten. Das muss mit der Krankenhausreform auf den Weg gebracht werden.
Was sind die Anforderungen für eine übergreifende, integrierte IT-Architektur?Leider wurde der Aufbau der Telematikinfrastruktur als „Datenautobahn“ des deutschen Gesundheitswesens anfangs von den kleinsten Einheiten her gedacht: der niedergelassenen Praxis. Die damit verbundene Pfadabhängigkeit ist hoch. Strukturen, die für den niedergelassenen Bereich entwickelt wurden, sollten dann auf Krankenhäuser übertragen werden, ohne dass den Merkmalen des stationären Sektors hinreichend Rechnung getragen wurde. Wir haben bei den Konnektoren und beim e-Rezept gesehen, dass das nach hinten losgeht. Für eine IT-Architektur des Gesundheitswesens muss man in Zukunft von den großen Einheiten aus hin zu den kleinen Einheiten denken. Die großen sind in der Lage, die kleinen einzubinden - umgekehrt geht das nicht.