Prof. Dr. Hendrik Streeck
Direktor, Institut für Virologie, Universitätsklinikum Bonn, Bonn
Prof. Dr. med. Hendrik Streeck wurde 1977 in Göttingen geboren. Nach dem Zivildienst in Münster studierte er zunächst Musikwissenschaften und Betriebswirtschaftslehre, wechselte nach der Zwischenprüfung aber in die Humanmedizin und studierte an der Charité in Berlin. In 2007 promovierte er an der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und absolvierte von 2006-2009 einen Postdoctoral Fellowship am Partner AIDS Research Center. 2009 wurde er zum Assistenzprofessor an der Ragon Institute of MGH, MIT und Harvard sowie Assistant Immunologist am Massachusetts General Hospital berufen. Im Jahr 2012 wurde er zum Leiter der Immunologie des US Military HIV Research Program (MHRP) ernannt und war zeitgleich Assistenzprofessor für ‚Emerging Infectious Diseases‘ an der Uniformed Services University of Health Sciences in Washington DC sowie an der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health. Im März 2015 folgte er dem Ruf der Universität Duisburg-Essen und leitete bis 2019 das Institut für HIV-Forschung. 2019 übernahm er die Leitung des Instituts für Virologie sowie des Deutschen Zentrums für HIV & AIDS an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn. Als Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie wurde er einer breiteren Öffentlichkeit bekannt für sein Engagement und pragmatische Stimme in der COVID-19 Bekämpfung und Beratung der Bundes- und Landesregierung. Er wurde 2019 zum Kuratoriumsvorsitzender der deutschen AIDS-Stiftung gewählt.
Drei Fragen an Prof. Dr. Henrik Streek
Das deutsche Gesundheitssystem ist eines der teuersten der Welt. Ist es auch
eines der besten?
Das deutsche Gesundheitssystem ist ineffizient. Im Krankenhaussektor brauchen wir radikale Reformen, die an die Wurzel gehen. Dazu gehörten vier Punkte: eine größere Ambulantisierung, der Wechsel zu einem Primärarztsystem wie in Frankreich und den Niederlanden mit Überweisungen an Fachpersonal, der Abbau von Fehlanreizen in der Vergütung und die Steigerung der Effizienz über elektronische Patientenakten und Technologien wie telemedizinische Versorgungsangebote. All das braucht die Kooperation der unterschiedlichen Akteure. Im Gesundheitswesen helfen Alleingänge nicht, weil es viele Partikularinteressen gibt.
Was bringt hier die Krankenhausreform?
Die künftige Krankenhausreform ist dann ein wichtiger Schritt, wenn sie die Unterschiede in den Bundesländern und Regionen berücksichtigt und den Umbau der Strukturen beschleunigt. Studien zufolge lassen sich 20 Prozent der heute stationär erbrachten Leistung auch ambulant durchführen. Alles, was ambulant gemacht wird, ist günstiger, besser und gesünder für die Patienten. Unsere Vergütungssystematik belohnt stationäre Leistungen mit der Folge, dass unnötig viele stationäre Leistungen erbracht werden. Ziele müssen Strukturen wie MVZs und der Umbau von Krankenhäusern zu ambulanten Behandlungszentren sein.
Welche Rolle kann dabei die Digitalisierung spielen?
Gesundheitssystem funktionieren dann besser, wenn verschiedene Akteure besser miteinander interagieren können. Die elektronische Patientenakte fördert die Zusammenarbeit, weil jeder Arzt Einsicht in die Patientenakte hat und dadurch Zeit, Geld und Ressourcen gespart werden. Eine gute elektronische Patientenakte muss in den Sprechstundenalltag integrierbar sein und dem Laborinformationssystem entsprechen, sodass die Werte automatisch in die Patientenakte eingetragen werden. Die Patientenakte muss anwenderfreundlich gestaltet sein – für Arzt und Patient.