Prof. Dr. Ariel Dora Stern

Prof. Dr. Ariel Dora Stern

Fachgebietsleiterin Digital Health, Economics & Policy, Hasso-Plattner-Institut, Potsdam

Der Wettbewerb um digitale Lösungen im Gesundheitswesen ist auch eine Frage der Regulierung. Sind die bestehenden deutschen und europäischen Gesetze ein Standortvorteil?
 
Leider nicht unbedingt, aber ich bin optimistisch, dass sich die Dinge in den kommenden Jahren verbessern werden. Auf deutscher Ebene haben wir eine innovative Regulatorik – aber nur in kleinen und spezifischen Bereichen (zum Beispiel für Digitale Gesundheitsanwendungen). ‚Der Rest‘ – der allerdings viele andere Technologien und Lösungen im Gesundheitswesen umfasst – muss noch aufholen. Auf europäischer Ebene herrscht (noch) eine Menge ‚Regulatory Uncertainty‘. Etwas, das einen großen Unterschied machen wird, ist die Klarheit über die Interpretation des EU AI Act: Die ersten Fälle, die vor Gericht getestet werden, werden wertvolle Einblicke darüber geben, wie der AI Act angewendet wird. Letztendlich glaube ich, dass unabhängig vom Ausgang mehr Informationen den Unternehmen und Gesundheitsorganisationen helfen werden, bessere Ansätze für die Umsetzung von KI in der Zukunft zu entwickeln. In der Vergangenheit habe ich die Kosten der ‚Regulatory Uncertainty‘ in anderen Medizinproduktmärkten dokumentiert, und ich denke, eine sehr ähnliche Denkweise lässt sich heute auf den EU AI Act anwenden. Und Europa hat natürlich den Vorteil, dass viele internationale HealthTech-Firmen kein Bock auf die DSGVO haben.
 
Europa, die USA und China treten in eine neue Ära des Wettbewerbs um Künstliche Intelligenz (AI) ein. Kann sich Europa behaupten und welche Chancen müssen Europa und Deutschland jetzt nutzen?

Wir befinden uns wirklich in einer neuen Ära – das ist seit ein paar Jahren bereits der Fall, und ich bin froh, dass diese Realität jetzt von Policy-Makern wahrgenommen wird: Anerkennung ist der erste wichtige Schritt. Meine Perspektive ist, dass die Forschung sich so schnell entwickelt und Algorithmen sich so rasant weiterentwickeln, dass wir jetzt nur von einem ‚Late-Mover-Advantage‘ sprechen können. Es ist schon längst zu spät, in den USA und China mit bestehenden Firmen zu konkurrieren, aber die KI-Firmen in anderen Ländern gehen nur sehr vorsichtig nach Europa – zumindest in vielen Bereichen der Krankenversorgung. Wie gerade erwähnt: DSGVO-konforme Produkte zu bauen, ist nicht trivial. Die größte Chance für europäische Firmen ist daher, schneller und schlauer Produkte für Europa zu entwickeln. Gerade in den Kliniken und Praxen gibt es viel zu tun!

Auch bei der Finanzierung und Förderung von Startups liegt Deutschland im internationalen Wettbewerb zurück. Müssen wir auch hier mehr Europa wagen?
 
In einem Wort: JA. Genug Geld ist theoretisch da, aber es wird anderweitig investiert. Das Healthcare-Startup-Ökosystem muss weiter aufgebaut werden – und zwar von allen beteiligten Parteien. Und wir müssen über sehr grundsätzliche Bedingungen wie Tech-Transfer und Entrepreneurship an den Unis reden. Ich sage oft, dass Forschung und Entrepreneurship sich gegenseitig unterstützen können und sollen – anstatt größtenteils getrennt voneinander zu existieren. Und die Bedingungen für (potenzielle) Unternehmer müssen sich verbessern.

 

Digitalforum Gesundheit 2025
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